05.11.14

Outbreak (USA 1995) - Der Ebola-Film

Von Zeit zu Zeit passiert es, dass ein Hollywood-Film derart zeitgemäß ist, dass die Nachrichtenseiten ihm quasi kostenlos das Marketing abnehmen.
Einen der spektakulärsten Fälle von Nachrichten-Marketing erlebt 1995 Wolfgang Petersens Virenthriller OUTBREAK: Nur anderthalb Monate nach Filmstart (seinerzeit liefen Filme noch monatelang im Kino) bricht im damaligen Zaire die bis dahin größte Ebola-Epedemie überhaupt aus. Die im Film zelebrierte Panik vor einem tödlichen, unsichtbaren Feind scheint von einem Tag auf den anderen völlig real – und lockt die Massen ins Kino.
© 1995 Warner Home Video
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Marcos Blick:

Viren geben einen schwierigen Filmbösewicht ab. Auf der einen Seite sind sie äußerst verführerisch: Sie sind unsichtbar, trickreich, ohne jedes Gewissen und ohne jede Moral – und ganz nach Wunsch des Autors absolut tödlich.
Auf der anderen Seite machen diese Eigenschaften ihre Visualisierung so schwierig. Wie zeigt man einen Gegner im Film, der nur mithilfe eines Elektronenmikroskops sichtbar ist? Und der keinerlei Ambitionen hat?

Meist helfen sich die Filme aus diesem Dilemma, indem sie nicht das Virus selbst zur Gefahr machen, sondern das Virus als Mittel zum Zweck nutzen: Die Erkrankten werden zur Gefahr!
Das wird von keinem Genre deutlicher untermalt als vom aktuell so populären Zombiegewusel, das im Kern nichts anderes als eine packende Virusgeschichte ist.

A History of Virusence


Obwohl Viren an sich so alt sind, dass sie bereits Dinosaurier befallen haben, ist der Begriff "Virus" selbst deutlich jünger. Er geht auf den römischen Medizin-Chronisten Aulus Cornelius Celsus zurück, der im ersten Jahrhundert v.Chr. erkannte, und beschrieb, dass die Tollwut durch den Speichel betroffener Tiere übertragen wird. Er nannte die Substanz "Virus", was Spucke oder Speichel meinte, und von ihm mit der Konotation "giftig" unterlegt wurde.
Erst ab dem späten 19. Jahrhundert wird der Begriff dann konkret mit übertragbaren Krankheiten in Verbindung gebracht und einzelne Viren nachgewiesen.

Einer der ersten Filme, die sich mit dem Thema Viren beschäftigen, ist UNTER GEHEIMBEFEHL, den Elia Kazan 1950 in die Kinos bringt: Eine in New Orleans gefundene Wasserleiche trägt die Lungenpest in sich. Die Mordermittlungen werden von der Gefahr einer Epidemie überschattet. Spannendes Kino, dessen Geschichte einen Oscar erhält.

Anschließend wird es etwas ruhiger. Einer der nächsten großen Hits ist gleichzeitig einer der wenigen Filme, in denen tatsächlich strikt das Virus selbst als Bösewicht im Vordergrund steht:  In THE ANDROMEDA STRAIN von 1971 befällt ein außerirdisches Virus eine unterirdische Forschungsanlage. Die Forscher kämpfen gegen die Zeit und gegen den Feind. Der Film basiert auf dem Roman, mit dem Michael Crichton (der Autor von JURASSIC PARK) 1969 der Durchbruch gelang, und nimmt viel von dem vorweg, was spätere Filme wie etwa ALIEN auszeichnet: Der verzweifelte Überlebenskampf einiger Weniger auf engstem Raum. Das ist typisch für Michael Crichton, der Alfred Hitchcock als eine seiner größten Inspirationsquellen nennt.

Der bespielte Raum in Virenfilmen öffnet sich jedoch schnell – es wird global. Virenfilme, die sich nicht mit Zombies oder anderen Mutanten herumschlagen, wälzen sich in der Regel in den Ängsten des Kalten Krieges und der biologischen Kriegsführung. Die meisten von ihnen folgen dem ewiggleichen Schema: Böse (oft sowjetische oder ostdeutsche) Wissenschaftler legen ein Virus frei, der die Welt bedroht und werden von den Guten im letzten Augenblick aufgehalten.
Einer der bekanntesten Vertreter dieses Genres ist der japanische Film VIRUS von 1980, der eine der ersten Japanisch-amerikanischen Co-Produktionen ist.
In den James Bond Filmen, die für kreative und gelegentlich weit, weit übers Ziel hinausschießende Bösewichtpläne berühmt sind, kommen Viren tatsächlich nur ein einziges Mal vor: In IM GEHEIMDIENST IHRER MAJESTÄT will der von Telly Savalas gespielte Blofeld die Erde mittels eines Unfruchtbarkeits-Virus auslöschen, das von Hühnchen bis Menschen alles sterilisiert ... oder so. Der Plot ist etwas verworren.
© 1995 Warner Home Video
Doch erst OUTBREAK wagt es 1995, eine Geschichte zu erzählen, die – vordergründig – ohne bösartig mutwillige Freisetzung eines Virus‘ auskommt und das Genre in den Bereich des Katastrophenfilms hebt. Statt Erdbeben oder Flugzeugabstürzen also jetzt Viren.


Heiße Zonen, kühle Stars


OUTBREAK erzählt die Geschichte eines 1967 im (fiktiven) Motaba Becken von Zaire auftauchenden Virus', das eine 100%ige Mortalitätsrate aufweist: Jeder, der sich infiziert, stirbt. Als die Epidemie sich auszubreiten droht, sprengt das US-Militär das Dorf mit einer Aerosolbombe.
28 Jahre später taucht das Motaba-Virus erneut auf. In einem Rhesusäffchen findet es seinen Weg an die amerikanische Westküste und bricht dort in der (ebenfalls fiktiven) Kleinstadt Cedar Creek aus. Was folgt, ist ein äußerst spannender Wettlauf zwischen korrupten Militärs, idealistischen Ärzten und einem Virus, das innerhalb von zwei Tagen tötet.

Als der Film 1995 in die Kinos kommt, ist er bereits der letzte Überlebende eines ganz anderen Gemetzels, das hinter den Kulissen der Traumfabrik stattfindet. Denn 1992 infiziert sich Hollywood selbst mit dem Viren-Virus!

Als Überträger dient der Artikel "Crisis in the Hot Zone" des Journalisten und Autors Richard Preston, der am 26. Oktober 1992 im Magazin „The New Yorker“ erscheint. Preston erzählt die wahre Geschichte, wie 1989 in einem Quarantänelabor vor den Toren Washington D.C.s unter den Laboraffen eine Ebola-Epidemie ausbricht. Schuld ist vermutlich ein infizierter Affe, der von den Phillippinen eingeflogen wurde.
Preston erzählt eindringlich die Funktionsweise von Viren und ebenso packend die verzweifelte Suche der Labormitarbeiter nach dem Ursprung der Epidemie in der kenianischen Khitum-Höhle und die lähmende Furcht der Labormitarbeiter, die völlig unvermittelt in einer sogenannten „Hot Zone“ stehen – einem Gebiet, in dem ein gefährliches Virus freigekommen ist.

Obwohl die Grundgeschichte sich kaum von THE ANDROMEDA STRAIN unterscheidet (Preston liest das Buch im Alter von 15 Jahren und wird sofort ein Crichton-Fan, der sich mit "The Hot Zone" vor seinem Vorbild verneigt) und der Ebola-Strang tatsächlich nur Affen befällt, ist der Artikel pures Thriller-Gold. Zwei Jahre später wird Richard Preston seine Recherchen zum Non-Fiction Thriller „The Hot Zone“ ausweiten. Aber noch 1992 entbrennt ein heißer Kampf um die Filmrechte an dem Artikel.
Schließlich setzt sich 20th Century Fox durch. Die Produzentin Lynda Obst legt eine siebenstellige Summe hin, lässt ein Drehbuch verfassen und gewinnt große Namen! Jodie Foster wird als Pathologin gebucht, Robert Redford als Umweltaktivist, und Ridley Scott soll die Regie übernehmen. CRISIS IN THE HOT ZONE wird bereits als Kassenknüller 1995 gefeiert.
© 1995 Warner Home Video
Dann zersetzt sich das Projekt rasend schnell, als es sich seinen eigenen Virus einfängt: Die Egos seiner Stars! Foster will einen Bio-Thriller mit ihrer Figur im Fokus. Redford eher einen Öko-Film voller Aussage mit seiner Figur im Fokus. Ridley Scott hingegen plant einen Techno-Thriller mit Abenteuercharme wie den topaktuellen JURASSIC PARK. Als Foster schließlich abspringt, wird sie durch Meryl Streep ersetzt. Als sich das Projekt weiter verzögert, dreht diese jedoch lieber DIE BRÜCKEN AM FLUSS.
Kurz darauf wird das Projekt endgültig eingestampft, als die Kosten explodieren, keine Einigung in Sicht ist, und ein Konkurrent am Horizont deutliche Konturen annimmt.

Das Konkurrenz-Virus


Produzent Arnold Kopelson, der für die Filmrechte an Prestons Artikel mitgeboten hatte, ist inzwischen zu dem Schluss gekommen, einfach seinen eigenen Virus-Film zu drehen. Und erkennt die Vorteile darin, mit leeren Händen aus dem Bieterkampf gekommen zu sein: Ohne an eine konkrete Vorlage gebunden zu sein, kann er die Geschichte wunderbar aufblasen und noch dramatischer gestalten! Mehr Gefahr, mehr Action, mehr Tote!
Er kauft günstig ein noch nicht völlig überzeugendes Drehbuch über den Ausbruch eines Ebola-Virus‘ und lässt es von Ted Tally zum Thriller umschreiben, der kurz zuvor den Oscar für DAS SCHWEIGEN DER LÄMMER erhalten hat.
Eigentlich ist das Script für Harrison Ford geschrieben, der allerdings absagt. So wird Dustin Hoffman zum Retter der Welt. Eine interessante Spiegelung – erst 13 Jahre vorher sollte Hoffman die Hauptrolle in DER BLADE RUNNER spielen. Als er absagt, erhält am Ende Harrison Ford die Rolle.
Richard Preston kritisiert die Filmemacher zwar später dafür, sie hätten das Virus in DEN WEIßEN HAI verwandelt, doch der Erfolg gibt den Produzenten Recht.

Lynda Obst, die CRISIS IN THE HOT ZONE weiterhin unbedingt mit einer starken Frauenfigur verfilmen will, startet noch zwei Anläufe, einen mit Robin Wright und einen mit Emma Thompson. Doch spätestens nach dem sensationellen Erfolg von OUTBREAK ist das Thema Killerviren vorerst ausgereizt.

Wolfgang Petersen, seit seinem Erfolg mit IN THE LINE OF FIRE im Vorjahr endgültig in Hollywoods A-Riege angekommen, weiß, wie er den Stoff inszenieren muss. Er erkennt die Zeichen der Zeit und legt genau hier den Finger auf die Wunden.
Anfang der Neunziger entwickelt sich der Glaubensansatz, der Mensch stehe im Krieg mit der Natur: AIDS, Ozonlöcher, Polschmelze und andere Phänomene wirken wie der Gegenschlag eines von den Menschen in die Enge getriebenen Planeten. Wolfgang Petersen nennt als eine der Botschaften, die die Menschheit vielleicht lernen müsste: „Die Menschen sollten sich aus manchen Regionen der Erde, zum Beispiel dem Regenwald, besser heraushalten.“ Erkrankungen wie AIDS oder Ebola seien womöglich die Rache des Regenwalds.
Am Ende übernimmt er aber ganz klar Stellung zu der Frage, ob er einen Thriller oder eine realistische Botschaft überträgt: „Wir treiben die Geschichte einfach einen Schritt weiter“!

Ebola – das Medienvirus


Man kann es nicht anders ausdrücken: Die Medien lieben Ebola!
Das liegt vermutlich an seiner Struktur, die an Urängsten des Menschen rührt: Unsichtbar, von Fremden übertragen, und hochgefährlich! Noch dazu wirkt es vollkommen autark, da es sich selbst zu verbreiten scheint, statt, wie etwa Nervengifte, erst aktiv eingesetzt werden zu müssen.
Seinerzeit weist Ebola große Parallelen zur Pest auf, die, wäre sie noch aktuell, vermutlich ebenfalls ein Hit in den Nachrichten wäre. Wie schon zu Zeiten der Pest, die allerdings eine Bakterienerkrankung ist, geht Ebola Hand in Hand mit der Angst vor allem Fremden und Unvertrauten. Guter Stoff für Medien und Filme.
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Die Autoren von OUTBREAK lassen sich einfach von der Wirklichkeit inspirieren. Denn als im Sommer 1976 im Sudan ein bisher unbekanntes Virus auftaucht, das fast 90% aller Patienten tötet, die es befällt, machen sich schnell Panik und Ratlosigkeit in der medizinischen Welt breit. Niemand weiß, wie er mit dem Virus umgehen soll, was zu einer Unzahl dramatischer Fehlentscheidungen, laschen Sicherheitsvorkehrungen und dämlicher Unfälle führt. Zerbrochene Blutampullen oder die Mehrfachnutzung kontaminierter Spritzen sind nur die Spitze des Eisbergs. Der Virus breitet sich viel weiter aus, als es nötig gewesen wäre – am Ende sterben über 200 Menschen.

1976 sorgt das in den Medien noch für wenig Aufsehen. Andere Themen – Vietnam, Watergate, die RAF und der allgegenwärtige Kalte Krieg – spiegeln das Weltbild der Zeitungen und Fernsehsender wider. Afrika ist seinerzeit kaum einen Blick wert.

Nach dieser ersten Epidemie wird es lange Jahre ruhig um Ebola. Zwar kommt es immer wieder zu kleineren Ausbrüchen in der Demokratischen Republik Kongo oder den umliegenden Staaten. In England, den USA und der Sowjetunion infizieren sich hier und dort einzelne Mitarbeiter in einem Labor. Aber es sterben nicht mehr Dutzende von Menschen, und schließlich wird das HI-Virus zum viralen Medienstar der späten Achtziger und frühen Neunziger.

Erst mit Richard Prestons spektakulärem Artikel von 1992 rückt Ebola endgültig in den Fokus der westlichen Welt – vor allem als Schreckgespenst. Als afrikanischer Eindringling, der, klein, hinterhältig und unsichtbar, auch in unsere geschützte westliche Welt vorzudringen droht!
Richard Prestons Artikel und sein 1994 erschienenes Buch „The Hot Zone“ rühren an genau diesen Ängste – und werden zu Bestsellern. Als OUTBREAK im März 1995 in die Kinos kommt, findet er also bereits gut gedüngten Boden vor!

Der Film spinnt Ebola konsequent weiter: in nur zwei Tagen hundertprozentig tödlich, unaufhaltsam, unsichtbar, beinahe böswillig. Wie Richard Preston sagt: OUTBREAK macht das Virus zu einem zähnefletschenden Monster!
Dass derartig hochpotente Viren, die ihren Wirt töten, und mit ihm sterben, keine Rache der Natur sind, sondern ein Fehler der Natur, blendet der Film aus. Ebenso die Tatsache, dass ein derart aggressives Virus wie das Motaba-Virus sich kaum verbreiten könnte, weil jeder Wirt in einem dünn besiedelten Gebiet wie Mittelafrika längst tot wäre, bevor er die Krankheit übertragen könnte. (Hier gelingt dem Film das Kunststück, diese Info zwar wortwörtlich genau so zu präsentieren, deren Bedeutung dabei aber gleichzeit komplett zu ignorieren!)
Die Zuschauer sitzen bequem im Kino und lassen sich von der drohenden Viruskalypse mit wohligen Schauern überrieseln.

Doch nichts bereitet die Filmemacher oder die Zuschauer auf das vor, was geschieht, als anderthalb Monate nach Filmstart in der Demokratischen Republik Kongo die erste große Ebola-Epidemie seit 19 Jahren ausbricht!
Erneut erkranken Hunderte von Menschen, über 80% von ihnen sterben.
Und diesmal gibt es für die Medien kein Halten mehr!

"Experten" und Fernsehmacher werfen mit Weltuntergangsszenarien um sich wie mit Karnevals-Kamellen. Keine einzige Nachrichtensendung lässt es sich entgehen, ihre Berichterstattung aus Afrika mit den dramatischsten Filmsequenzen aus OUTBREAK zu unterstreichen. In Europa und den USA, selbst in Asien, entbrennt eine beispiellose Ebola-Hysterie, angefeuert durch Prestons Buch, OUTBREAK und Journalisten, die spätestens im Golfkrieg von 1991 gelernt haben, dass Berichterstattung und Sensationsmache sich nicht zwangsläufig ausschließen müssen.
© 1995 Warner Home Video
Für die Menschen, die sich an diese Form der maximal emotionalisierenden Nachrichtenvermittlung erst gewöhnen müssen, ist das beinahe zu viel. Die Kombination der Berichte über einen realen Virus mit den Schreckensbildern aus OUTBREAK ruft in vielen Menschen den festen Glauben an ein baldiges Ende der Welt hervor.
Es ist der Beginn einer langen Reihe von medialen Überreaktionen, wenn es um die Berichterstattung zu Viren und Bakterien geht: BSE, Vogelgrippe, Schweinegrippe, Ebola – was in Filmen bewusst ängstigen soll, wird in der Realität von den Medien oft genug ohne konkreten Anlass zum Schreckgespenst erklärt.

Der GAU 2014


Seinen vorläufigen Höhepunkt an Ruhm – in allen Belangen – erreicht das Ebola Virus im Sommer 2014.
Obwohl es seit 1995 immer wieder zu kleinen und mittleren Ausbrüchen vor allem in der Demokratischen Republik Kongo kommt, mit teilweise über 200 Toten, stellt die Epidemie 2014 alles bisher Dagewesene weit in den Schatten.

Seit dem neuen Ausbruch im Dezember 2013 wurden über 13.000 Menschen infiziert. Mehr als 5.000 sind dem Virus aktuell erlegen.
Zahlen, die selbst einen Film wie OUTBREAK erblassen lassen.
Und erneut kennt die mediale Sensationsgier kaum Grenzen. Offizielle Stellen fordern Einreiseverbote aus Afrika, man spinnt Katastrophenszenarien weiter, man schürt Panik und Unsicherheit.
Wie vor zwanzig Jahren – wie vor 700 Jahren – fühlt man sich als „Normalsterblicher“ der unsichtbaren, potentiell tödlichen Bedrohung nicht gewachsen. Also reagiert man in der einzigen Form, die einem bleibt: Alles Fremde, alles potentiell Gefährliche, muss weit wegbleiben! Verrammelt die Tore der Stadt! Treibt die Aussätzigen auf die Insel im Fluss!

Dabei ließe sich viel erreichen, wenn man den realen Ebola Virus von der in Filmen wie OUTBREAK überdramatisierten Form unterscheiden würde.

Dazu gehört:

- Das Problem ist ernst. Es ist aber vor allem ernst in Westafrika! Bis auf etwa 15 Personen stammt jeder einzelne der 13.000 infizierten Patienten aus den westafrikanischen Staaten Guinea, Sierra Leone und Liberia. Alle drei Länder gehören zu den zehn ärmsten der Welt! Es gibt dort wenig Grundhygiene, wenig Bildung, Wasser, Nahrung oder andere grundlegende Bedürfnisse, die einer Epidemie entgegenwirken könnten. Es ist ein Schlaraffenland für Viren – voll hilfloser Opfer und mangelnder Hygiene. Wer in diesen Ländern erkrankt, hat meist nicht einmal das Geld, sich Schuhe zu kaufen, geschweige denn einen Flug nach Europa oder in die USA. Vor allem können sich diese Länder kaum die medizinische Versorgung leisten! Das Krankenhauspersonal ist überlastet und kann von der Regierung kaum bezahlt werden. Die Krankenstationen sind mit Blut, Fäkalien, Urin und Erbrochenem verdreckt, alles potentielle Virenherde, weil die Kräfte fehlen, für Sauberkeit zu sorgen. Viele Pfleger und Schwestern bleiben aufgrund der Bedingungen ihrer Arbeit fern und überlassen die Erkrankten ihrem Schicksal. Viele andere die bleiben, infizieren sich ebenfalls und sterben anderthalb Wochen später.
Es sind Opfer, keine Überträger.

- Ebola ist nur schwer übertragbar. Anders als in OUTBREAK, wo das Virus dramaturgisch passend mutiert und mit einem Mal auch über Tröpfchen und die Luft übertragen werden kann, ist Ebola erst übertragbar, wenn man bereits Symptome zeigt – und auch nur über den direkten Austausch von Körperflüssigkeiten.

- Ebola ist keine Seltenheit oder eine plötzliche Rache der Natur. Jedenfalls nicht mehr seit seinem ersten bekannten Ausbruch 1976. In Mittelafrika gehört es mittlerweile zum Alltag. Fast jedes Jahr gibt es kleinere Ausbrüche. Dort ruht das Virus in Wildtieren und kann immer wieder auf unvorsichtige Menschen oder Kinder übertragen werden. Dank der Weite der Region bleibt es meist auf ein kleines Gebiet beschränkt. Es ist aber Teil des Alltags, wie hierzulande Krebs oder Autounfälle – die im Endeffekt deutlich mehr Todesopfer fordern, als Ebola es je könnte.

- Anders als im Film ist es keine Frage von Stunden, ein Heilmittel zu finden. Ebola ist seit 40 Jahren bekannt, und bisher konnten über 33 Ausbrüche und Infektionen registriert werden. Der Großteil davon in seiner afrikanischen Heimat, der Rest in Forschungslaboren. Trotzdem konnte bisher kein Heilmittel entwickelt werden – das Virus ist zu selten und zu unbedeutend. Die Entwicklung von Heilmitteln kostet Milliarden von Dollar und Jahrzehnte. Bis ein Mittel am Menschen zugelassen wird, müssen erst jahrelang Hunderte von Studien mit menschlichen Versuchspersonen durchgeführt werden. In einem Fall wie Ebola, das pro Jahr gerade mal eine Handvoll weit versprengter Erkrankungen hervorbringt, nahezu unmöglich.
Die Arbeit versandet seit vier Jahrzehnten in fehlenden Fördermitteln, einer labyrinthartigen Bürokratie und der Seltenheit der Krankheit. Auch wenn die Virologen und die Weltgesundheitsorganisation Ebola mit Respekt behandeln und lieber zu vorsichtig als zu lasch handeln, ist das ein weises Vorgehen. Ebola ist ernst und äußerst aggressiv, aber kaum der Auslöser einer menschenvernichtenden Pandemie!

Genießt die Fiktion!


Wie Killermeteore, menschenfressende Raubtiere und welterschütternde Erdbeben bleiben Viren vor allem eines: Ein gutes Filmmonster, das seine Wurzeln in der Realität hat! In allen Fällen erklären sich die Faszination und der Schrecken aus der scheinbaren Realitätsnähe des Bösen! Es erscheint uns glaubhaft.
Solange wir wissen, wie zerbrechlich unsere Erdkruste ist, wie viele Massenaussterben durch Meteoriten ausgelöst wurden, dass Menschen von Haien und Tigern getötet werden und dass Menschen an hochgradig gefährlichen Erkrankungen wie der Pest oder Ebola sterben, solange kitzeln sie unsere Fantasie – und unser Angstzentrum. Den meisten dieser potentiellen Gefahren sind wir schutzlos ausgeliefert. Sie sind unsichtbar, unberechenbar, unbekannt.
© 1995 Warner Home Video
Darüber sollte man aber nicht aus den Augen verlieren, wie gering die Wahrscheinlichkeit ist, in Westeuropa von einem Hai oder Tiger gefressen zu werden. Und dass pro  Jahr zwar zwölf Menschen von Haien verletzt werden, aber über siebzig Millionen(!) Haie von Menschen getötet werden. Dass die Erde seit 4,5 Millarden Jahren kein welterschütterndes Erdbeben hatte. Dass der Planet von 4,5 Milliarden Jahren insgesamt weniger als 500 Jahre mit den Auswirkungen von Meteroiteneinschlägen zu kämpfen hatte. Und dass uns vor allem dann Gefahr von einem Virus wie Ebola droht, wenn wir in den betroffenen Gebieten leben oder als Virologen damit arbeiten.

Hier zeigt sich, wie stark Filme und Medien unser Weltbild prägen. Filme wie OUTBREAK oder zuletzt das hervorragende Virendrama CONTAGION pflanzen uns Bilder ein, wie Viren funktionieren, wie sie uns gefährden – und jeder von uns fühlt sich direkt und unmittelbar davon bedroht.
Auch wenn die Gefahr durch Ebola real ist, sollte man den Betroffenen eher Mitgefühl entgegenbringen, als Furcht. In ihrem ganzen Wesen ähnelt eine Ebola-Epidemie, besonders eine so starke wie 2014, eher einer Naturkatastrophe. Man sollte die Betroffenen nicht als Überträger und bösen Feind betrachten, sondern in derselben Form, in der man Erdbebenopfern in Haiti, Tsunami-Opfern in Südostasien oder Hurricane-Opfern in New Orleans begegnet: Mit Respekt und Mitgefühl.

Angst und Schrecken gehören in den sicheren Raum des Kinosaals. Dort darf man sie auch genießen!

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