29.05.15

Jurassic Park (USA 1993) - Als die Computer laufen lernten

1993 läuft mit JURASSIC PARK einer der letzten großen Familien-Blockbuster. Hollywood erfüllt der Welt einen Menschheitstraum – und belebt die Dinosaurier wieder zum Leben.
Knapp 16 Minuten Film verändern die Welt grundlegend. Nicht nur liefert Steven Spielberg einen packenden Technothriller ab und schenkt der Welt das CGI, sondern er bestimmt auf alle Zeit grundlegend das Bild, das die Menschen sich von der Urzeit machen.
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Marcos Blick:

JURASSIC PARK! Zwei Wörter, deren Gewicht die Erde mindestens so erbeben lassen wie die Schritte des T-Rex! Vermutlich weiß jeder Mensch unseres Kulturkreises, ganz gleich ob Kinoliebhaber oder nicht, ganz gleich, ob er vor oder nach dem Film auf die Welt kam, um die Bedeutung und das Gewicht dieses einen Films.
Und es stimmt – JURASSIC PARK ist einer der wichtigsten Filme, die jemals gedreht wurden. Und vermutlich der einflussreichste. Und das ist allen Beteiligten schon lange vor dem Kinostart bewusst.

Stop and Go Motion


Man fragt sich, was für ein Tag es gewesen sein mag, der das Kino revolutionierte. Als Steven Spielberg jenen schicksalshaften Anruf erhielt, der alles verändern sollte.
Im Januar 1992 befindet sich die Produktion von JURASSIC PARK in der Klemme. Der Autor der Buchvorlage, Michael Crichton, hat ein Drehbuch verfasst, das Steven Spielberg nicht zusagt. Dennoch läuft die Vorproduktion bereits auf Hochtouren. Spielberg, der sich entschlossen hat, „den realistischsten Dinosaurierfilm aller Zeiten“ zu drehen, heuert Stan Winston an, dessen Kreaturen schon seit TERMINATOR und PREDATOR die Kinowelt begeistern. Winston ist bereits dabei, Dinosauriermodelle zu erstellen, vor allem den nahezu in Lebensgröße erschaffenen elektromechanischen T-Rex – eine gigantische, animatronische Puppe aus Stahl und Hydraulik, die mit Schaumstoff überzogen ist.

Zwar hat Spielberg mitbekommen, dass Computer sich mittlerweile zum brauchbaren Effektwerkzeug mausern, und TERMINATOR 2 hat gerade bewiesen, welches Potential sie bergen, doch noch wurden sie nicht wirklich zufriedenstellend eingesetzt.
Spielberg lehnt Computergrafiken rundheraus ab - er fürchtet, die Bilder könnten aussehen wie ein Computerspiel (die damals noch mit "nur" 256 Farben arbeiten und äußerst grobpixelig und bunt sind), was ihm nicht realistisch genug scheint. Also bleibt er auf vertrautem Gebiet und engagiert für Stan Winstons Team eine Legende: Phil Tippet!
Auge in Auge mit dem Dinosaurier - ein Menschheitstraum wird wahr. Bis sie nach einem schnappen ...
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Tippet hat in den Siebzigern für STAR WARS das „Go Motion“ Verfahren erfunden. Go Motion ist eine Erweiterung von Stop Motion, bei der mit einigen Tricks (Vaseline auf der Linse oder Wackeln des Tisches) bei den einzelnen Aufnahmen der Stop Motion Figuren eine Bewegungsunschärfe simuliert wird. So wirkt die Stop Motion Bewegung der Figuren deutlich realistischer und flüssiger. Go Motion, dessen erster Auftritt sich in dem kleinen Schachspiel in STAR WARS findet, beherrscht die Achtziger wie keine andere Effekttechnik. Sämtliche Effektspektakel, von den STAR WARS-Fortsetzungen (Tauntauns oder Walker) bis zu ROBOCOP, über TERMINATOR 1 + 2, die INDIANA JONES Filme, AUF DER SUCHE NACH DEM GOLDENEN Kind (der Teufel am Ende) oder GHOSTBUSTERS (die Höllenhunde), überall werden Kreaturen und Monster mit Go Motion zum Leben erweckt.

Für JURASSIC PARK gibt Tippet, der bereits an zwei vorherigen Dinosaurierfilmen gearbeitet hat (PREHISTORIC BEAST und DINOSAUR!), sich besonders Mühe und erarbeitet erste Bewegungsabläufe. Es werden sogar erste Szenen gedreht, die Winston und Spielberg bei der Visualisierung helfen sollen.

Dann kommt der Anruf. Steven Spielberg wird von einigen Technikern der umtriebigen Effektschmiede ILM (einst von George Lucas extra für die damals unrealisierbaren Effekte in STAR WARS gegründet) in ihre Büros eingeladen - er solle sich da mal was anschauen.
Spielberg und Tippet folgen der Einladung und besuchen den dritten großen Effektmagier der frühen Neunziger, Dennis Muren. Dieser hat, ohne irgendeinen Auftrag, mit zwei Kollegen bei ILM etwas ausgetüftelt. Sie wollen das Go Motion Verfahren komplett auf den Computer auslagern!
Die Küchenszene gehört, mit dem Angriff des T-Rex, vermutlich zum spannendsten, was das Neunziger-Blockbusterkino zu bieten hat. In den USA ist das Publikum buchstäblich am Kreischen.
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Anders als in TERMINATOR 2, wo der Computer vor allem für Morphing Effekte genutzt wurde, also um einen möglichst flüssigen Übergang von Bild A zu Bild B darzustellen (mit damals atemberaubenden Ergebnissen!), geht es diesmal darum, ein ganzes Lebewesen zu simulieren und künstlich darzustellen.
Muren und seine Leute entwickeln ein System, bei dem sie ein Drahtgittermodell erstellen, welches die Bewegungsabläufe vollführt. Dieses überziehen sie mit Muskelschichten und Texturen, was dem ganzen ein plastisches Aussehen gibt. So ersetzen sie Tippets Puppen und Figuren durch digitale Objekte.
Die kurze Szene, die Muren seinen Besuchern zeigt, eine Jagdsequenz von Dinosauriern, an deren Ende der T-Rex erscheint, lässt Spielberg und Tippet mit offenen Mündern zurück. Der Legende nach blicken sie sich an, und Tippet haucht nur: „Ich glaube, wir sind ausgestorben.“ Spielberg verwendet den Satz später im Film.

Dabei hat Tippet recht. Mit TERMINATOR 2, vor allem aber JURASSIC PARK, wird die Visualisierungskraft der Computer unter Beweis gestellt. Hundert Jahre, nachdem George Méliès die ersten Stop Motion Versuche unternommen hat, und siebzig Jahre nachdem Willis O’Brien mit DIE VERGESSENE WELT und KING KONG UND DIE WEISSE FRAU der Technik zum Durchbruch verhalf, und gut fünfzehn Jahre, nachdem Phil Tippet die Technik mit Go Motion perfektionieren konnte, endet die Ära der aufwendigen Bild für Bild Effekte.
Der unverwechselbare Look, den die Achtziger-Spektakel dank Go Motion entwickelt haben, endet 1993 mit JURASSIC PARK. Im Gegenzug erlebt die visuell überragende, technisch viel einfacher umzusetzende CGI-Technik ihren Aufstieg, und regiert bis heute das Kino. Heute sogar so weit, dass sie mittlerweile viel Kritik einstecken muss und als „seelenlos“ betrachtet wird.
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Phil Tippet bleibt JURASSIC PARK dennoch erhalten. Seine Vorarbeiten, vor allem aber seine unschätzbare Erfahrung im Go Motion Verfahren, helfen den ILM Technikern, die digitalen Bewegungsabläufe der Saurier zu optimieren.

Die neugefundene Welt


Die Wirkung, die JURASSIC PARK 1993 beim weltweiten Publikum erzielt, ist heute gar nicht mehr nachzuvollziehen. Die Art, wie hier Spezialeffekte umgesetzt werden, war neuartiger als alles, was es je zuvor gab.
Natürlich gab es schon immer fantastische Monster und visuelle Tricks. Nicht zuletzt STAR WARS revolutionierte die Tricktechnik im Film nachhaltig, was eine unüberschaubare Flut von Fantasy- und Sci-Fi-Krachern in den Achtzigern nach sich zog. Aber genau hier lag die Begrenzung der Tricktechnik.
Spezialeffekte im Film, egal wie gut sie umgesetzt wurden, waren immer als Spezialeffekte zu erkennen. Man war vielleicht erstaunt, wie hier die Fantasien der Filmemacher realisiert wurden, aber es waren eben immer deutlich erkennbare Fantasien. Entweder fantastische Welten, oder eben Welten aus den Weiten des Universums.
Für künstliche Kreaturen galt das doppelt, denn es gab im Grunde nur drei Möglichkeiten, Monster oder Saurier im Film darzustellen: Die erste bestand aus der beliebten Stop Motion oder Go Motion. Eine zweite aus Menschen, die in Anzügen steckten. Eine dritte bestand aus dem Trick, echte Tiere in Großaufnahme aufzunehmen, und entsprechend „vergrößert“ in den Film einzukopieren.
In allen Fällen sah man jedoch, dass es unechte Wesen waren, wodurch Hollywood genötigt war, ausschließlich fantastische Wesen umzusetzen. Da man entweder mit echten Tieren arbeitete, oder mit Puppen/Kostümen, waren den Effektspezis hier die Hände gebunden. Es wäre unmöglich gewesen, etwa mit Go Motion ein echtes Tier, wie einen Löwen, nachzubilden. Der Zuschauer hätte den Unterschied sofort erkannt, und die Illusion wäre in sich zusammengefallen.
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Genau hier liegt aber die Wucht von JURASSIC PARK. Auch wenn Dinosaurier 1993 längst ausgestorben sind, sind sie den Menschen zutiefst vertraut. Man wusste aus Büchern und Bildern ungefähr wie sie aussehen. Und obwohl man eine Idee davon hatte, wie ein Dinosaurier sich bewegen würde, hatte niemals irgendein Mensch einen sich bewegenden Dinosaurier gesehen. Man kannte lediglich die deutlich unechten Bewegungen von Puppen oder Kostümen, die Dinosaurier darstellen sollten, oder eben von Echsen und Waranen, die als Dinosaurier einkopiert wurden, aber sichtlich keine waren.

JURASSIC PARK macht der Menschheit ein Geschenk! Nach mehr als 100 Jahren Dinosaurierforschung sehen die Menschen erstmals glaubhafte Dinosaurier, die sich eben nicht wie Puppen oder Effekte bewegten, sondern wie Tiere.  Sie bewegen sich so, wie die Erwartungen der Menschen es sich seit über hundert Jahren ausgemalt haben.
Dieser Effekt, dieser „fleischgewordene“ Menschheitstraum rührt 1993 unzählige Menschen geradezu zu Tränen. Am meisten natürlich die Kinder, in deren Fantasie die Saurier schon immer den größten Platz eingenommen hatte.
Auf seine Art bietet Spielberg den Menschen eine Zeitreise in die Urzeit und ermöglicht ihnen einen Einblick in eine Welt, den kein Mensch je für möglich gehalten hätte. Daher ist es nicht verwunderlich, dass kein Mensch glauben kann, oder will, dass hier wirklich „nur“ Spezialeffekte am Werk sein sollen, was Stan Winston zu der lakonischen Aussage verleitet: „Das ganze Gerede über lebensgroße Dino-Modelle und ausgefeilte Computergrafiken ist nur ein Werbetrick. In Wirklichkeit halten wir eine Horde von gut dressierten Sauriern auf dem Studiogelände.“ Und ja, 1993 ist man geneigt, das für die glaubwürdigere Erklärung zu halten.
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Heutzutage, nach zwanzig Jahren, in denen die Computertechnik alles und jedes Lebewesen unseres Planeten nachbilden kann (und das auch tut!) ist die Vorstellung, dass digitale Effekte weltweit eine solch intensive emotionale Wirkung erzielen könnten, geradezu absurd. Aber Spielberg eröffnet den Menschen tatsächlich ein zuvor als unerreichbar geltendes Ziel, das der Mondlandung oder einer noch folgenden Kolonialisierung eines fremden Planeten in nichts nachsteht.

Bewegungsvorgaben


Leider hat Spielbergs Zeitreise-Trick noch eine weitere Auswirkung, die seinerzeit niemand vorausahnen kann: Er bestimmt, vermutlich bis ans Ende der Menschheit, die Vorstellung davon, wie Saurier sich zu bewegen haben!

Man vergisst schnell, dass auch Spielberg und seine Effektprofis, ja selbst Autor Michael Crichton, eine Fiktion erschaffen haben! Sowohl der Kragen als auch die ätzende Spucke des Dilophosauriers etwa sind Hirngespinste Crichtons, um sein Buch spannender zu gestalten. Spielbergs Team doktert an den Größen ihrer Saurier herum und erfindet ihre Hautfarbe ebenso wie die Geräusche. Bis heute weiß niemand wirklich, wie die Haut von Sauriern aussah, oder welche Geräusche sie gemacht haben. Nicht einmal, wie sie sich bewegt haben, kann man mit Sicherheit sagen. Die Effektmagier von JURASSIC PARK orientieren sich zwar an realen Tieren (der Schrei des T-Rex ist eine Mischung aus Löwen, Schwänen, Pinguinen, Hunden, und einem halben weiteren Zoo), aber das hat Auswirkungen.

Einer der Besucher, die mit offenem Mund im Kino sitzen, ist Tim Haines. Der Film inspiriert den BBC Mann zu einer Fernsehsendung. Er will den aktuellsten Forschungsstand über die Urzeit ins Fernsehen bringen, indem er eine fiktive Tierdoku produziert, die 1999 als WALKING WITH DINOSAURS (auf Deutsch: DINOSAURIER – IM REICH DER GIGANTEN) läuft. Die Sendung, bei der man jede Sekunde darauf wartet, dass Heinz Sielmann um die Ecke kommt und die Saurier tätschelt, wird ein weltweiter Erfolg, kostet die Effektleute aber Nerven – keine ihrer Szenen wird zunächst akzeptiert. Immer heißt es, die Saurier würden sich „unnatürlich“ bewegen. Erst, als man die Bewegungsabläufe an JURASSIC PARK angleicht, werden sie akzeptiert.

Bis heute gibt JURASSIC PARK also den Takt vor, wenn es darum geht, wie Dinosaurier „in echt“ auszusehen haben.

Die Sauriermacher


Allerdings hat es noch einen weiteren Grund, dass die JURASSIC PARK Saurier als „echt“ angenommen werden – und den liefert Autor Michael Crichton. Der versierte Schriftsteller, Drehbuchautor und Regisseur hat schon 1981 den Wunsch, ein Drehbuch über amoklaufende Saurier zu schreiben, allerdings findet er keinen Zugang. Erst Ende des Jahrzehnts findet er seinen Aufhänger: Die Gentechnik. Die steckt seinerzeit noch mehr oder weniger in den Kinderschuhen und verbreitet vor allem Angst und Schrecken unter den Menschen. Die Angst wird sich bis in die Neunziger halten – Klone oder Furcht vor genetischer Auslese liefern jahrelang guten Stoff fürs Kino, einer der letzten Filme aus dieser mittlerweile längst überholten Panikmache ist das durchwachsene Sci-Fi Drama GATTACA.
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Visionär Crichton aber findet eine andere fiktive Gefahr in der Gentechnik. Crichton hat ein Gespür dafür, seine Science Fiction Thriller stets so dicht an der Realität zu schreiben, dass sie immer glaubwürdig wirken. Mit seinem Roman „Jurassic Park“ will er seiner Angst vor der Gentechnik Ausdruck verleihen, die weltweit unkontrolliert erforscht wird, und von der er fürchtet, jemand mit einem „Gott-Komplex“ könne sie missbrauchen.
Das Ergebnis ist ein zwar fiktives, aber tatsächlich denkbares Szenario dafür, wieso Dinosaurier plötzlich wieder auf unserer Erde wandeln. Auch damit grenzt JURASSIC PARK sich von allen Vorgängern ab, in denen Dinosaurier meist nur dann in der Jetztzeit auftauchten, wenn sie entweder an einem abgelegenen Ort die Jahrmillionen überdauert haben (das „Vergessene Welt“ Szenario), oder wenn sie durch nukleare Katastrophen wiedererweckt wurden (Das PANIK IN NEW YORK Szenario). Nachdem die Erde in den Achtzigern keine weißen Flecken mehr aufweist, und auch die magischen Fähigkeiten, die der Atomkraft in den Fünfzigern noch zugeschrieben wurden, sich als haltlos erwiesen haben, sind beides unglaubwürdige Szenarien aus dem Reich des Fantastischen.
Gentechnik aber, ja, das ist Wissenschaft. Das ist glaubhaft. Denn kann man nicht alles klonen, wovon man einmal den DNS-Strang gefunden hat?

Das glaubhafte Szenario und Crichtons gut dramatisierter Bericht liefern noch eine weitere Erkenntnis, über die sich zuvor nie jemand Gedanken gemacht hat: Dinosaurier, die Freunde aller Kleinkinder, Dauergäste auf Schlafanzügen, Bettwäsche und Kunststofffiguren, waren wilde Tiere und gnadenlose Räuber! Nie zuvor hatte jemand die sonst so mythologischen Tiere als „schlichte“ Raubtiere geschildert. Mit einem Mal ging den Menschen auf, dass es ja vielleicht gar nicht so toll wäre, wenn die Dinosaurier wiederkämen.
Auch für ein wenig Erotik bleibt zwischen den Dino-Attacken Zeit!
1993 wirkt die Szene vollkommen harmlos, mittlerweile hat das Internet Jeff Goldblums Darstellung des noch im verletzten Zustand dezent arroganten Chaostheoretikers Ian Malcolm für sich entdeckt. So wird Goldblums offene Brust zum nachhaltigsten Star des Films.
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Crichton weiß um das Potential seines Romans und klappert noch vor Erscheinen die Filmstudios ab. Die reißen sich um den Stoff. Am Ende aber kommt es gar nicht zum großen Bieterkampf, denn Crichton trifft eine Wahl. Zwar sind sowohl Universal, die Twentieth Century Fox und Warner an dem Stoff interessiert, doch die angebotenen Regisseure geben den Ausschlag. Während Warner den Film an Tim Burton geben will und die Fox mit Joe Dante lockt, trumpft Universal mit Steven Spielberg auf.
Für Crichton ist das das ausschlaggebende Argument - zum einen ist er mit Spielberg befreundet, zum anderen erkennt er (und später auch Richard Attenborough, der für JURASSIC PARK erstmals seit gut zwanzig Jahren wieder vor die Kamera tritt), dass Spielberg die perfekte Wahl für den Stoff ist.

Auch Spielberg ist fasziniert, und er hat den Erfolg bitter nötig. Das einstige Wunderkind hat zuletzt mit ALWAYS einen veritablen Flop hingelegt, und mit HOOK selbst die Kritiker verschreckt, die den Film eine „pubertäre Peinlichkeit“ nennen. Zwar hat er seit DER WEISSE HAI keinen Thriller mehr gedreht, und keine Monster mehr losgelassen, doch es wird der Film werden, mit dem JURASSIC PARK immer wieder verglichen wird: „Der Weiße Hai mit Dinosauriern“ ist eine oft genutzte Floskel der damaligen Kritiker. Übrigens zurecht: Ähnlich wie bei seinem Monsterfilm von 1975 gelingt es Spielberg, die Saurier bereits furchteinflößend wirken zu lassen, bevor sie überhaupt zu sehen sind.
Der Angriff des T-Rex gilt bis heute als eine der besten Spannungsszenen aller Zeiten. Spielberg inszeniert die Sequenz nahezu perfekt, indem er das Monster langsam aufbaut und die Fantasie der Zuschauer mit einbezieht. Aber auch der Angriff selbst ist packend - nie zuvor hat sich jemand ausmalen können, wie es wäre, wirklich von einem T-Rex aufs Korn genommen zu werden. Das Kinopublikum kreischt und quiekt!
Obwohl sich andere Filme, etwa Roland Emmerichs GODZILLA, stark an JURASSIC PARK orientieren, erreichen sie dessen Spannungsspitze nicht einmal annähernd.
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Und Spielberg liefert ab. Mit JURASSIC PARK gelingt ihm einer der erfolgreichsten Filme aller Zeiten. Nach nur neun Tagen hat er 100 Millionen eingespielt – einen Tag schneller als der vorherige Rekordhalter, Tim Burtons BATMAN RETURNS. Bis heute ist JURASSIC PARK der erfolgreichste Dinosaurier Film aller Zeiten, und vermutlich einer der letzten großen, die ganze Familie ansprechenden Kinoblockbuster überhaupt. Heute unvorstellbar: Als der schwer gehypte Film im September 1993 in Deutschland anläuft, hat er in den USA bereits einen viermonatigen Siegeszug hinter sich! Der Film, und die Saurier, beherrschen für einen Sommer tatsächlich wieder die Erde.
Seit BATMAN 1989 die Messlatte aufgelegt hat, versuchen die Studios stets, ihre Filme optimal im Merchandising Markt zu verorten, und kein Film schafft das so elegant und gleichzeitig plump wie JURASSIC PARK: Ein Film namens JURASSIC PARK über einen Freizeitpark namens „Jurassic Park“, der Werbeartikel feilbietet – nie zuvor konnte ein Film die eigenen Merchandising-Produkte direkt im Film platzieren. Selbst das noch heute einprägsame Logo ist auf Kinoplakat und in der Filmwelt absolut identisch!
Seinerzeit tippen Experten, dass der Film wenigstens eine Milliarde Dollar mit Merchandising umsetzen wird, mittlerweile hat er das alleine mit Kinokarten geschafft.
Vor allem aber wird JURASSIC PARK eines der machtvollsten Franchises der Welt, das bis heute nichts von seiner Anziehungskraft verloren hat.
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JURASSIC PARK liefert wohl die schamloseste Merchandising-Kampagne aller Zeiten ab. Hier etwa werden echte Merchandise-Artikel als Requisiten im Film verwendet, darunter das (reale) "Making of" Buch zum Film von Don Shay und Jody Duncan. Universal richtet sogar eine Hotline ein, bei der man billige Imitate melden kann. Ein Universal Sprecher verkündet, vielleicht etwas unbewusst: "Man erkennt Fälschungen ganz einfach: Wenn nicht Jurassic Park draufsteht, sind die Dinger 15 Dollar billiger."
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Der Film läutet für Crichton und Spielberg den Höhepunkt ihrer Karrieren ein. Crichton, der schon seit zwanzig Jahren im Filmgeschäft ist, ist angesagt wie nie zuvor. Die Neunziger kennen kein Jahr mehr ohne Film von Michael Crichton: Noch Ende 1993 startet die Verfilmung seines Romans „Die Wiege der Sonne“, während er zeitgleich die Rechte für sein noch unveröffentlichtes Buch „Enthüllung“ für eine Rekordsumme (zwischen 2,5 und 3,5 Millionen) verkauft, der 1994 in die Kinos kommt. Im gleichen Jahr revolutioniert die von ihm konzipierte Krankenhausserie ER – EMERGENCY ROOM das Fernsehen und beginnt ihren 15-jährigen Triumphzug! 1995 startet CONGO, eine weitere Verfilmung eines seiner Romane, 1996 der Film TWISTER, zu dem Crichton das Drehbuch verfasst hat, 1997 wird seine Fortsetzung „Vergessene Welt: Jurassic Park“ von Steven Spielberg in die Kinos gebracht, 1998 kommt mit SPHERE die Verfilmung seines Romans „Die Gedanken des Bösen“ in die Kinos, und 1999 schließlich DER 13. KRIEGER, der auf seinem Buch „Die ihre Toten essen“ beruht. Erst jetzt endet die Crichton-Mania, und 2003 kommt mit TIMELINE die bisher letzte Verfilmung eines Michael Crichton Romans ins Kino. Der populäre Autor stirbt 2008, im Alter von 66 Jahren, an Krebs.

Aber auch Spielberg sollte neue Zeiten erleben. Der bisher vor allem für seine fantasievollen Märchen- und Abenteuerfilme berühmte, „ewig junge“ Regisseur beginnt noch während der Postproduction von JURASSIC PARK in Europa mit den Arbeiten an seinem persönlichen Meisterwerk: SCHINDLERS LISTE startet Ende 1993 in den USA. Mit zwei Filmen innerhalb eines Jahres hat er sich endgültig in den Hollywoodolymp geschossen – und setzt erst einmal aus. Erst mit VERGESSENE WELT: JURASSIC PARK bringt er 1997 wieder einen Film in die Kinos, arbeitet jetzt aber Schlag auf Schlag. Mit AMISTAD (1997) und DER SOLDAT JAMES RYAN (1998) gelingt Spielberg etwas, das kein Regisseur vor ihm je geschafft hat: Er etabliert sich erfolgreich als Regisseur, der scheinbar spielerisch sowohl packende Effektabenteuer, als auch dramatische historische Stoffe umsetzen kann. Seither ist kaum ein Jahr ohne neues Spielberg-Opus vergangen, sein bisher letzter Film, LINCOLN, beschert ihm seine siebente Oscarnominierung als Regisseur.

Die Sachen mit dem Wasser


Der Dreh von JURASSIC PARK wird in etlichen Fällen von Wasser bestimmt:
Ein tiefer Griff ins kollektive Gedächtnis - ein simples, nahezu schwarzweißes Bild, ein Glas Wasser, ein paar Kräusel. Und dennoch wird nahezu jeder Filmfreund der Welt Film und Szene sofort erkennen.
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So entpuppen sich witzigerweise nicht die Saurier als härteste Nuss des Films, sondern eine der ikonischsten Szenen der Filmgeschichte: Ein Glas Wasser auf dem Armaturenbrett, dessen Schwingungen die schweren Schritte des T-Rex ankündigen. (Denselben Trick verwendet er später mit den Raptoren und einem Stück wackelnder Götterspeise!) Spielberg will unbedingt einen Effekt, der die Wucht des Monsters ankündigt, bevor man es zu sehen bekommt. Die Tüftler am Set sagen zu, finden aber lange keinen Weg, das ganze umzusetzen. Dann kommt die Eingebung: der Effekttechniker stellt ein Glas Wasser auf seine Gitarre und zupft die Seiten. Bingo! Am nächsten Tag montieren sie die Gitarrenseiten unter das Armaturenbrett und können so einen der berühmtesten Effekte der Kinogeschichte kreieren.

Der Dilophosaurus bewegt sich im ganzen Film nicht. Der als animatronische Figur und als Handpuppe zusammengebaute Saurier kann einfach nie glaubhaft Gehbewegungen umsetzen.  Dafür wird die Szene, in der er einen der Parkangestellten anfällt, für Spielberg einfach nicht nass genug. Er will die Schlammlawine im Hurricane so nass haben wie nur irgend möglich. Am Ende leeren seine Mitarbeiter sämtliche umliegenden Hydranten über dem Set aus, doch
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noch immer ist es Spielberg nicht genug, und er behauptet bis heute, die Szene habe nicht genug Wasser. Seinerzeit treibt er seine Mitarbeiter so sehr zur Verzweiflung, dass sein Effekttechniker (der mit der Gitarre!) witzelt: „Bespritzt ihn halt zwischendrin mit Wasser, dann denkt er, es ist mehr.“

Und auch der animatronische T-Rex leidet unter dem Wasser – der Schaumstoff saugt sich im künstlichen Regen rasend schnell voll, wodurch die ohnehin extrem schwere Figur nur noch behäbiger wird. Im Ergebnis lässt sie sich nur noch ungenau steuern, was Stan Winston allerdings akzeptiert. „So wirkte der Rex lebendiger“, ist sein simpler Kommentar.
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Aus Arch Stanton’s Grab


The Good:
Natürlich sind die Dinos die Stars in JURASSIC PARK. Aus diesem Grund heuert Spielberg seinerzeit auch „etablierte, aber nicht allzu bekannte Stars“ für seinen Monsterthriller an. Niemand soll den wahren Stars die Show stehlen. Was man dabei kaum wahrnimmt: Von den gut 122 Minuten, die JURASSIC PARK läuft, sind gerade einmal 16 Minuten Dinosaurier zu sehen. Und obwohl der Film für seine Verwendung von CGI Effekten berühmt wird, sind es nicht einmal 5 Minuten, die mit dieser Technik gefüllt werden.
Tatsächlich sind es vor allem Stan Winstons animatronische Figuren, die dem Film seine Glaubwürdigkeit geben. In vielen Raptorenszenen stecken übrigens Menschen in den Kostümen und spielen in „Ski-Abfahrtshaltung“ die cleveren Räuber, so etwa auch in der berühmten „cleveres Kerlchen“-Szene.
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Übrigens war sich Michael Crichton über die Unstimmigkeit seines Logos bewusst. Immer wieder wurde er darauf angesprochen, weshalb er einen „Jurassic Park“ mit dem Skelett eines Tyrannosauriers, also einem König der Kreidezeit schmückte. Crichton sagte stets, ihm sei das bewusst, aber es sähe einfach am besten aus.

The Bad:
Heute gilt die Erkenntnis, dass die Vögel die direkten Nachfahren der Saurier sind, als gesichertes Wissen. Ende der Achtziger ist es nur eine etwas verspukte Theorie, die Crichton für seinen Roman jedoch aufgreift und anspricht.
Der Film hingegen orientiert sich gänzlich am klassischen Saurierbild, und geht recht eigene Wege. Die Raptoren sind viel zu groß, die Dilophosaurier sehr freimütig verändert und auch die Vogeltheorie findet zwar Verwendung, wirkt aber dennoch eher halbherzig umgesetzt.

Die Fortsetzungen hingegen wachsen mit dem Kenntnisstand der Saurierforschung. JURASSIC PARK löst einen echten Run auf die paläontologische Forschung aus, deren Mittel und finanziellen Unterstützungen enorm anwachsen. Schon bald ist auch die Vogeltheorie erhärtet. In VERGESSENE WELT: JURASSIC PARK finden bereits einige neue Erkenntnisse Platz, und im oft zu unrecht geschmähten JURASSIC PARK III haben die Raptoren sogar ein paar Federn – sind dafür aber nahezu lächerlich intelligent.
So sind die Filme in sich sehr inkonsistent, und verlieren leider auch mehr und mehr ihren „realistischen“ Hintergrund – die Fiktion der Filme tritt immer deutlicher hervor.

Außerdem löst der Film eine heftige Diskussion zur Jugendfreigabe aus. Trotz menschenfressender Monster und einiger heftiger Szenen ringen die Verleiher eine Jugendfreigabe ab 12 Jahren durch, was hierzulande auch bedeutet, dass Kinder in Begleitung ihrer Eltern in den Film dürfen. Der Grund ist klar: Dinosaurier sind Kindersache, selbst wenn sie hier ungewohnt bösartig und unniedlich dargestellt werden. Obwohl sich die Diskussion im Sande verläuft fragt man sich, ob und wieviele traumatisierte kleine Kinder der Film zurückgelassen hat.
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The Ugly:
Noch heute faszinieren die Effekte in JURASSIC PARK. Das liegt vor allem daran, dass hier mit einer gesunden Mischung aus visuell nahezu perfekten animatronischen Figuren aus Stan Winstons Schmiede und CGI gearbeitet wurde. Jede einzelne Nahaufnahme zeigt eine von etlichen Puppenspielern bediente Figur, nur in den seltenen Ausnahmen, in denen die Saurier in ihrer ganzen Pracht zu sehen sind, werden sie als CGI dargestellt.
Heute wird ausschließlich mit CGI gearbeitet. Zwar wird noch in JURASSIC PARK III mit der für die Reihe bewährten Mischmethode gearbeitet, für den bald anstehenden JURASSIC WORLD steht aber zu befürchten, dass hier keine animatronischen Figuren mehr genutzt werden.
Auch sonst hat sich viel gewandelt. Während in JURASSIC PARK die Monster per se schon so ein Hingucker waren, dass es mehr als unterhaltend war, wenn der T-Rex zehn Minuten lang einen Wagen angreift, verfällt man heute in den Trott, ganze CGI Armeen aufeinander loszuhetzen. Ähnliches wird vermutlich auch in JURASSIC WORLD vorkommen. Man darf daher gespannt sein, wie der Film sich im Schatten seines Urahnen hält.

Welche Entwicklung JURASSIC PARK anstoßen würde, ist rückblickend übrigens leicht zu erkennen: George Lucas, der 1993 immer noch nur davon träumt, seine STAR WARS-Saga irgendwann möglichst effektlastig fortzuführen, ist von JURASSIC PARK begeistert. Er weiß, dass die Tricktechnik nun endlich soweit ist, dass er seinen Traum verwirklichen kann, und beginnt sofort mit der Arbeit an seiner Prequel-Trilogie, die 1999 in die Kinos kommt, und den Beginn der seelenlosen CGI-Blockbuster einläutet.

So erschafft JURASSIC PARK, der Film, der die Effektwelt revolutionierte, gleichzeitig die Bedingungen für alles, was sie heute, über zwanzig Jahre später, in die Krise treiben würde.
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